Die GASIR mit dem englischen Akronym ist bekanntlich aus der ASTI (Ost) und der ASI (West) hervorgegangen.
Zwei der Protagonisten aus beiden Arbeitsgemeinschaften - Prof. Peter Krumbiegel und Dr. Gerd von Unruh - haben sich bereit erklärt, ihre Erinnerung und ihre Sicht zu den jeweiligen Arbeitsgemeinschaften Stabiler Isotope aufzuschreiben.
Die beiden Beiträge geben einen historischen und persönlichen Rückblick zur Isotopenforschung in beiden deutschen Staaten vor der Wiedervereinigung und bis zur Vereinigung zur heutigen ASI/GASIR.
In der Kernforschungsanlage Karlsruhe sollte 1977 nach dem Ausscheiden des Institutsdirektors die Produktion von 17O und 18O stillgelegt und damit Herr Dr. Staschewski arbeitslos werden. Dies war eine politische Entscheidung. Herrn Dr. Staschewski wurde bedeutet, dass sich Politiker nicht um Einzelmeinungen kümmern. Wenn er etwas erreichen wolle, müsse er zeigen, dass viele Wähler am Fortbestehen der Sauerstoffisotopenproduktion interessiert seien. Der Versuch, viele Wissenschaftler als Unterstützer zu sammeln, führte nach einem Vorbereitungstreffen zur Gründungsversammlung der ASI am 11. Oktober 1977 im Hörsaal des MPI für Chemie in Mainz, organisiert von Herrn Dr. Heinzinger. 31 Anwesende erklärten ihren Beitritt (damit waren Politiker nicht zu beeindrucken!). [Unsere Kollegen aus der ehemaligen DDR wiesen uns "Wessies" daraufhin, dass die ASI Ost schon vorher bestanden hat.]
Nur bei der ersten Vorstandswahl ging es hoch her. Dr. Staschewski wollte gern mit dem Bonus eines Vorsitzenden sein Anliegen vertreten können. Obwohl alle Anwesenden für die Fortführung der Sauerstoffisotopenproduktion in Deutschland waren, fand eine deutliche Mehrheit, dass das gesamte Gebiet der Forschung an und mit stabilen Isotopen durch den zu gründenden Verein gefördert werden sollte - Herr Dr. Staschewski verlor in einer Kampfabstimmung die Wahl. Der erste Vorstand bestand aus Herrn Prof. Dr. Schmidt, Herrn Prof. Dr. Wagener und Herrn Dr. Förstel; das erste Mitteilungsblatt der AG datiert vom 31.10.1977. Die Herren Schmidt und Förstel führten einen 4-jährigen zähen Kampf mit dem (in seiner Mentalität noch königlich) bayrischen Amtsgericht in Freising, danach hatte die ASI eine gültige Satzung als eingetragener Verein. Bereits im November 1977 versuchte der gewählte Vorsitzende der ASI, im Bundesministerium für Forschung und Technologie den Erhalt der Sauerstoffisotopenproduktion und eine Förderung der Forschung mit stabilen Isotopen zu erreichen. Eine Förderung im Bereich der medizinischen Diagnostik wurde in Aussicht gestellt, aber nicht verwirklicht.
Zusammenfassung der Gründungsphase: Die wünschenswerte Fortführung der Sauerstoffisotopenproduktion in Deutschland wurde nicht erreicht. Als „pressure group“ scheiterte die ASI kläglich. Aber sie etablierte sich erfolgreich als eine Plattform für den interdisziplinären Austausch von nützlichen Informationen. Die ASI ermunterte nicht nur zum Blick über den eigenen Tellerrand, sie lud ausdrücklich dazu ein, in die Suppenschüsseln anderer Fachrichtungen tief hineinzuschauen und die dort verwendeten Techniken auf Brauchbarkeit für die eigene Arbeit zu prüfen. Einsteiger in das damals noch neue Gebiet, aber auch Diplomanden und Doktoranden profitierten stark, sei es bei der Diskussion im Plenum, vorm Poster oder unter 4 Augen. Die für Fachgesellschaften typischen "Hahnenkämpfe" fehlten weitestgehend, Kooperation und Austausch von wichtigen (oft unveröffentlichten, aber entscheidenden) Informationen wurde typisch.
Die erste Arbeitstagung der ASI mit 29 Teilnehmern aus Deutschland, Belgien und Frankreich fand am 19. und 20.10.1978 in Jülich statt. Schwerpunkte waren Anwendungen in der Medizin, Geobiologie und Ökologie sowie methodische Entwicklungen. Außerdem wurde über die 3. Internationale Konferenz über Stabile Isotope und eine Isotopentagung der AG Massenspektrometrie berichtet.. Die gesetzlich vorgeschriebene Mitgliederversammlung des Vereins fand am Abend des ersten Tages statt. Nach ähnlichem Schema mit langsam wachsender Teilnehmerzahl und unterschiedlichen Schwerpunkten verliefen die weiteren Tagungen. Die Tagung 1979 wurde gemeinsam mit der Fachgruppe Nuklearchemie der Gesellschaft deutscher Chemiker in Berlin veranstaltet. Die Zahl der Mitglieder hatte sich verdoppelt.
Die 4. Internationale Konferenz fand vom 23. - 26.3.1981 wieder in Jülich statt. Es war ein Kraftakt für den jungen Verein, der auf Betreiben des Vorstands übernommen worden war und unter Ausnutzung der guten Infrastruktur der KFA Jülich erfolgreich durchgeführt wurde. Der erfreulichste Nebeneffekt der Internationalität war der dadurch ermöglichte Besuch von mehreren Kollegen aus der DDR, die zu einer "nationalen West-Tagung" nicht hätten reisen dürfen. Alle Tagungen der ASI sind unter Archiv auf der Homepage der ASI zu finden.
Klosterreichenbach 13.-14.05.1983 (Erstmals Abstracts der Vorträge).
Freising 13.-14.04.1984
Hannover 22. & 23.10.1985 mit AGMS.
Pont-à-Mousson 29.09.-01.10.1986, die erste französisch-deutsche Tagung der ASI.
Maria Laach 20.-23.9.1987 (127 Mitglieder; deutsch-französische Tagung; eine Sitzung über GC/Combustion/IRMS).
Bei dieser Konferenz versuchte ich, mit dem Argument, dass Isotope unabhängig von Grenzen und Gesellschaftssystemen seien, die Adressen unserer Kollegen aus der DDR zu erhalten. Ideologie gewann damals noch gegen Logik.
Göttingen 03.-04.10.1988
Pont-à-Mousson 17.-20.09.1989. Eine mir unvergessliche Tagung wegen der kulturellen Unterschiede. Das Organisationskomitee traf sich am frühen Abend und diskutierte - überwiegend auf französisch - über das Essen während der Tagung. Auf meinen dringenden Wunsch wurde gegen 22 Uhr doch noch die Reihenfolge der Vorträge für den folgenden Tag beschlossen, sodass die Redner nach dem Frühstück erfahren konnten, wer wann an der Reihe war.
Anfang März 1990 fuhren Herr Dr. Förstel und ich nach Ostberlin zu einem semikonspirativen Treffen, um die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu erkunden. Dieses Treffen verlief für beide Seiten so erfreulich, dass wir schon am Sonntag, dem 18.3.1990, dem Wahltag in der DDR, nach Leipzig fuhren. Wir wurden von Herrn Dr. Faust und Herrn Dr. Jung privat aufgenommen. Mein Auto sollte ich sicherheitshalber in der Garage von Jungs verstecken. Fast alle Balkone des Plattenbaus waren mit DDR-Fahnen geschmückt. Dann kam die Nacht mit den Wahlergebnissen, die wir vor dem Fernseher verbrachten. Am nächsten Morgen waren die Fahnen bis auf 3 von den Balkonen verschwunden. Da wussten wir, dass wir bald zusammenarbeiten könnten. Die ASI-Tagung in Heidelberg vom 7. bis 9.10.1990 war "nur" noch der formale Abschluss einer nicht länger von der Politik gegängelten wissenschaftlichen und persönlichen Zusammenarbeit.
Der Physiker Dr.-Ing. Justus Mühlenpfordt hatte zusammen mit seinem früheren Chef, Nobelpreisträger Gustav Hertz, und vielen anderen (z. B. Manfred von Ardenne) ab 1945 in der Sowjetunion bei der Kernwaffen-Entwicklung mithelfen müssen. Im Jahre 1955 durfte er aus sowjetischer Internierung zurückkehren und in Leipzig unter dem Dach der Deutschen Akademie der Wissenschaften ein Forschungsinstitut gründen, das später Institut für stabile Isotope hieß.
Als Chemiestudent der Leipziger Universität wurde ich 1956 zu einem Berufspraktikum in dieses Institut geschickt, wurde vom dortigen Pioniergeist infiziert, wurde vom Institutsdirektor positiv zur Kenntnis genommen und konnte 1959-1960 dort meine Diplomarbeit über Deuterium-Isotopieeffekte durchführen.
Schon bald wurde ich dort ins kalte Wasser geworfen: Als Mitarbeiter des Organisationsbüros der "1. Arbeitstagung über die Anwendung stabiler Isotope" (10.-12.12.1959 im Physikalischen Institut der Karl-Marx-Universität Leipzig) bekam ich es ausführlich mit Koryphäen dieser Fachrichtung zu tun - hauptsächlich aus der Sowjetunion und aus Polen -, die ich bis dahin nur aus der Literatur kannte.
Dieser ersten internationalen ASI-Tagung - bei uns ASTI genannt - folgten bis 1969 regelmäßig aller zwei Jahre weitere ASTIs mit hochkarätiger weltweiter Beteiligung.
Als bundesdeutscher Teilnehmer an den ASTIs der frühen 60er Jahre ist mir Herr Professor Dickel in Erinnerung geblieben, den wir aus den Lehrbüchern als Miterfinder des Clusius-Dickel-Trennrohrs kannten. Der alte Herr Dickel war zwar recht schwerhörig, aber sehr nett im Gespräch mit uns jungen Leuten. Die schon damals berühmten Theoretiker der Isotopieeffekte Jacob Bigeleisen und Max Wolfsberg aus den USA waren ebenfalls sehr sympathische Stammgäste unserer ASTIs. Erst später stießen weitere Wissenschaftler aus der Bundesrepublik Deutschland hinzu: Dr. Habfast und die Professoren Heribert Moser, Hanns-Ludwig Schmidt und Hubert Ziegler.
Nach 6-jähriger Unterbrechung setzten die Arbeitstagungen dann ab 1975 wieder ein. Unter der Thematik "Isotope in der Natur / Isotopes in Nature" folgten regelmäßige Treffen der "Isotopiker" mit internationaler und (ost)deutsch-(west)deutscher Beteiligung bis 1989. Außer 1975 in Gera fanden die Arbeitstagungen immer in Leipzig statt. Die Isotopenanwendung in Geologie, Ökologie, Hydrologie und die Theorie zu Isotopeneffekten standen dabei im Mittelpunkt.
1990 fand in Heidelberg der legendäre Vereinigungsvereinstag statt (siehe Beitrag Gerd von Unruh), bei dem die östliche ASTI in die westliche ASI integriert wurde, die dort ihr 12. Treffen (erst seit 1979) abhielt. Spannend und irgendwie irritierend war dabei für Leute wie mich, dass wir unseren bundesdeutschen Kollegen von Angesicht unbekannt waren; denn wir waren keine DDR-„Reisekader“ gewesen. Etliche von uns standen anfangs abseits, während die anderen mit viel Jubel begrüßt wurden.
Eine Arbeitsgemeinschaft Stabile Isotope als Verein mit eingeschriebenen Mitgliedern gab es in der DDR nie - das war politisch nicht vorgesehen. Unter dem Dach des Forschungsinstituts allerdings konnten sich damals zwei Arbeitsgemeinschaften etablieren, die zwischen den ASTIs Jahrzehnte lang aktiv wirkten.
Die erste dieser Arbeitsgemeinschaften "Produkte mit stabilen Isotopen" wurde bereits 1962 gegründet, nachdem eine Abhandlung im Wissenschaftsteil des DDR-Zentralorgans "Neues Deutschland" mit dem Titel "Stabile Isotope helfen Bauwesen" als Initialzündung platziert worden war (P. Krumbiegel, ND vom 08.07.1961). Diese AG hat später die Überführung von Forschungsergebnissen in die Industrie begleitet, so beispielsweise die Produktion des Stickstoffisotops 15N im Chemiekombinat Bitterfeld und die Produktion des ersten durch Deuterium stabilisierten Schmieröls im Mineralölwerk Lützkendorf, die allerdings bald wieder einschlief.
Die andere Arbeitsgemeinschaft, 1972 gegründet, hieß "15N-Anwendung in der Medizin". Ihre Hauptaufgabe war die Stimulierung und Koordinierung dieses Anliegens sowie die Organisation gemeinsamer Studien. Das Institut für stabile Isotope war für die Grundlagenforschung, die Bereitstellung der markierten Substanzen und die Isotopenanalyse zuständig, während eine oder mehrere Kliniken das "Patientenmaterial" und das medizinische Know-how bereit stellten. Die Veröffentlichung der Studienergebnisse erfolgte gemeinsam, wobei es da bei ach so wichtigen Dingen, wie Reihenfolge der Autoren, oft zu diplomatisch verbrämtem Gerangel kam.
Am Beginn solcher Zusammenarbeit stand als Vorversuch die legendäre "Isotopenkuh": Wissenschaftler aus 11 Instituten stellten sich am Beispiel von 15N-markiertem Harnstoff der Frage, inwieweit anorganischer Stickstoff von Wiederkäuern zur Eiweißsynthese genutzt wird. Später erforschte Professor Hans Faust zusammen mit Chirurgen unter anderem, welche 15N-Aminosäuren unter postoperativem Stress vorrangig vom Körper gebraucht werden. Sieben internationale postgraduale 15N-Kurse im Auftrag der IAEA und ein Methodenkatalog zur 15N-Anwendung am Menschen wurden ebenfalls von Hans Faust realisiert.
Als Spätwirkung dieser Arbeitsgemeinschaft kamen die in den 80er Jahren entwickelten "in-vivo-Organfunktionsteste" mit 15N und 13C ([15N]Methacetin-Leberfunktiontest, [15N]- und [13C]Harnstoff-Helicobacer-pylori-Test) erst nach 1990 richtig zum Zuge. In groß angelegten umweltmedizinischen Studien wurden mehrere tausend Probanden und Patienten untersucht.
Ein Rückblick auf die Anfänge nach 1945 zeigt, dass der Osten, speziell Leipzig, mit einer institutionell organisierten Beschäftigung mit stabilen Isotope früher begonnen hat als der Westen, nämlich spätestens 1959 mit der ersten Fachtagung. Dabei war die Ausgangslage in beiden Teilen Deutschlands gleich: Nach 1945 war bekanntlich die Beschäftigung mit allem, was nach Isotopen roch, zunächst verboten. In Westdeutschland wurde "Kernforschung" erst seit 1955 durch die Pariser Verträge erlaubt und in Ostdeutschland ebenfalls seit 1955 durch ähnliche Zugeständnisse seitens der Sowjetunion. Hier in Leipzig ist man daraufhin bei den stabilen Isotopen durchgestartet, ein bleibendes Verdienst von Justus Mühlenpfordt. Und ich bin wahrscheinlich derjenige noch Lebende, der im Osten schon seit 1956 und nahezu ununterbrochen bis heute, also seit über 50 Jahren mit stabilen Isotopen befasst ist.
Die Geschichte der Arbeitsgemeinschaft Stabile Isotope (Ost)
aus östlicher Sicht von Peter Krumbiegel
Die Geschichte der Arbeitsgemeinschaft Stabile Isotopen bis 1990 (West)
aus der ganz persönlichen Sicht und Erinnerung von Gerd von Unruh